Klostergarten Dornach 2019-2022, «CP», Zinkblech, 90 × 45 × 45 cm, Berlin 2018, «FM», Stahl, Moniereisen feuerverzinkt, Durchmesser 120 cm, Berlin 2015, «LF», Bronze, Innenausbau Naturholz Linde, Durchmesser ca. 30 cm, Bremen 2017, «BN Stahlbeton, Formguss, Innenausbau Naturholz Eiche, 45 × 45 × 45 cm, Luzern 2018, Fotos: Christian Jaeggi
Die moderne Vorstellung von einer Kunst, die sich von allem, was ausserhalb ihrer selbst existiert, distanziert und im besten Falle nur sich selbst genügt, hat sich bis heute weitgehend erhalten. Und wenn sich Kunst in die Nähe anderer Systeme begibt, dann erfährt sie nur bei einer dezidiert kritischen Haltung die legitimierende Anerkennung ihrer eigenen Vertreter und Institutionen. Wie verhält es sich aber mit Kunstwerken (genauer gesagt Skulpturen), die sich von der Idee einer derart zweck- und funktionsfreien Kunst verabschieden und Vögeln als Nistplatz und Häuschen dienen? Fritz Balthaus hat in seinen Interventionen im öffentlichen Raum schon oft gezeigt, dass Kunst uns und unsere Umgebung gerade dann hinterfragen und sinnvoll bereichern kann, wenn sie sich nicht in einen für sie allein bestimmten Raum begibt, son- dern sich unmerklich in andere Bereiche einnistet. In allen vier Skulpturen begegnen sich zwei Systeme, die nach ihren je eigenen Gesetzen handeln. Balthaus, der vom Klostergarten als Ort der Natur wie auch der Kultur sehr angetan war, stellte sich die folgenden Fragen: Unter welchen Bedingungen kann Kunst existieren, und unter welchen Voraussetzungen nisten Vögel? Wäre es möglich, dass sich das System der Kunst und dasjenige der Vögel so einander annähern können, dass beide Seiten sich respektieren, wenn nicht gar zum Besseren beeinflussen? «Bei der Gestaltung der Vogelhäuser wurden die unterschiedlichen Bedingungen und Verhaltensweisen von Kunst und Vogelwelt so lange miteinander abgewogen, bis feststand, dass eine kongruente Gesamtform gefunden worden war, welche beiden Welten gerecht werden konnte.» Balthaus entschied sich, per künstlerisches Zitat die Verbindung zur Kunst aufrecht zu halten, sei es durch bekannte Formen von Raumkunst oder durch die inhaltliche Referenz der als Werktitel dienenden prominenten Künstlerinitialen CP, FM, BN, LF. Die für eine Abweichung vom Original nötigen Veränderungen in der Struktur, im Material und der Positionierung münden in die Eignung der Objekte als für Vögel nutzbare Häuser. Verweist die Aussenform einer jeden Skulptur noch auf das künstlerische Original, richtet sich das Innere auf die Erfordernisse eines erfolgreichen Nistens. Eine genaue Recherche der Lebensbedingungen heimischer Vogelarten seitens des Künstlers war hierzu unerlässlich. Balthaus’ Hybride aus Kunst und Vogelhaus kennen indes einen Vorgänger: In den 1970er Jahren nisteten Vögel in einer Skulptur von François Morellet im Garten eines renommierten deutschen Museums. Dies tolerierten die Angestellte über Jahre, wohl auch deshalb, weil die vergitterte Innenstruktur der Skulptur das Nest unerreichbar machte. Wie sich die vier Skulpturen im Klostergarten Dornach für die Kunst- wie auch für die Vogelwelt bewähren, werden wir in den kommenden Jahren aufmerksam beobachten und dem Künstler darüber berichten.
Text: Barbara van der Meulen
Dank an:
Stephan Wittmer, Annegret Steinhauer, René Odermatt, David Hepp: für Naturholzeinbau, Werkzeichnung, 3D-Werkstatt und praktische Assistenz der Skulptur «BN»; Adolf Maier: für die aussergewöhnliche Kooperation bei der Skulptur «BN»; Georg Zey, David Hepp, Harry Heimsoth: für Naturholzeinbau, Giesserei und praktische Assistenz bei «LF»; Sophia Engel: für die Expertise Vogelschutz. Der Stiftung Kloster Dornach, Barbara van der Meulen, Toni Eggenschwiler, Johann Volonté AG, Stefan Moser Schreinerei AG, Andreas Klemm für die Realisierung im Klostergarten Dornach