im kontext von raum, bau und stadt

>Projektion, Installation

Beitrag für die Ausstellungsreihe "projections" in der Galerie David Pestorius , weitere Beiträge zum Thema von Fanni Niemi-Junkola, Ian Anüll, Anna Brag, Gail Hastings und Monika Brandmeier; Edition bestehend aus 2 Kunsttransportkartons, 75 x 40 x 40cm und 112 x 122cm, Auflage 3, plus 1 E.A., mit signiertem Zertifikat

Fritz Balthaus: Projektion, Installation

>Ein Objekt plus x

 

for art's sake - verspricht der Schriftzug, den die mehrteilige Arbeit Projektion (1999) wie ein Gütesiegel zur Schau trägt. Ja, was tut man nicht alles der Kunst zuliebe? Um die Betrachter mit dem semiotischen System der Kunst vertraut zu machen, entfaltet Fritz balthaus nicht nur seine Gedanken, sondern auch einen platzsparend zusammen geklappten Karton aus den Beständen eines angesehenen, international agierenden Kunsttransportunternehmens. Im bewußten Rückgriff auf Marcel Duchamps ironische Geste des Ready-made befestigt er den industriell hergestellten "Brown Cube" auf Augenhöhe an der Wand eines "White Cube", sei es das eigene Atelier, oder eine kunstgerecht purifizierten Ausstellungsraums. Was als schützendes Behältnis zur Beförderung empfindlicher Kunstwerke konstruiert wurde, ist seiner einstigen Funktion enthoben, von jeglicher Last befreit und zum ästhetischen Objekt geworden.

So leicht der Transformationsprozeß nachzuvollziehen und der banale Gegenstand in seiner bloßen Faktizität zu erfassen ist, so schwer fällt es, die Frage nach dem ontologischen Status dieses Artefakts zu beantworten. Denn obgleich Fritz Balthaus das vorgefundene Ding in seiner materiellen Substanz nicht einmal angetastet hat, handelt es sich aufgrund der Kontextverschiebung um ein - wie Ludwig Wittgenstein gesagt hätte - Objekt plus x. Dieser mysteriösen Unbekannten, ohne die die Gleichungen von Künstlern, Kritikern und Kuratoren niemals aufgingen, dieser schillernden Variablen, die sich scheinbar mühelos jedem gesellschaftlichen, historischen und ideologischen Wandel anzupassen vermag, diesem der Sprache entlehnten Platzhalter, der die unsichtbare Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst markiert, ist Fritz Balthaus beharrlich auf der Spur. "Ein Kunstwerk, das sich im Unterschied zu allem anderen als Kunstwerk behauptet, schließt zunächst also alles andere aus und teilt die Welt in sich selbst und den übrig bleibenden unmarked space", resümiert der Soziologe Niklas Luhmann in: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1995, Seite 61.

Welche Mittel aber stehen einem Künstler zur Verfügung, um das, was nicht Kunst ist von seinem Werk fernzuhalten? Und wie sehen die Zeichen aus, die dem Rezipienten signalisieren, daß er sich auf dem Terrain vorwagt, das spezifische Anforderungen an seine Wahrnehmung und sein Denken stellt? Fritz balthaus hat ein äußerst verläßliches sensorium für all jene Unterscheidungsmerkmale entwickelt, die , meist ohne besondere Beachtung zu finden, die Kunst vom "unmarked space" trennen. Als gelte es, das Augenmerk auf eine Geheimschrift zu lenken, die nur Eingeweihte entziffern können, erprobt er immer neue Verfahren, um die institutionellen Vorgaben, die konventionalisierten Präsentationsformen und die unausgesprochenen Regeln im Umgang mit Kunst in all ihren ästhetischen Dimensionen sichtbar in Erscheinung treten zu lassen: Die Hängung der beiden Kartons reagierte auf die vorher in diesem Raum präsentierten Projektionen der anderen Künstler. Der dreidimensionale Karton markiert den Ort wo die Projektoren standen und der zweidimensional präsentierte Karton die Projektionsflächen der anderen Künstlerarbeiten. In der Arbeit von Fritz Balthaus sind Projektor und Projiziertes absolut identisch geworden.

 

 Annette Tietenberg 

 

in: QUOBO, Kunst in Berlin 1989-1999