Volker Staab zur Eröffnung der Ausstellung von Fritz Balthaus Arbeiten mit Bauten, dieser Titel der Ausstellung scheint mir schon Programm. Vor allem das kleine Wort "mit" macht den Unterschied zu manchem Kunst am Bau Projekt. Ich gestehe, bis vor einigen Jahren hatte ich ein gewisses Vorurteil gegen diese oft beziehungslosen, etwas lieblos abgestellt wirkenden Objekte, Skulpturen oder Brunnenanlagen, manchmal als Blickschutz für die Mülltonnen mißbraucht. Ich denke auch an den verschämt aufgehängten Wandschmuck. Nicht nur weil ich damals der Überzeugung war, das wir Architekten ohnehin den künstlerischen Anspruch an ein Gebäude abdecken, sondern das Accessoirehafte dieser Kunst schien mir zu wenig kraftvoll, um einem Gebäude eine weitere Erfahrungsebene hinzuzufügen. Als Dokument eines zwar gut gemeinten Pflichtkunstanteils bei öffentlichen Bauvorhaben bleibt die Kunst oft beziehungsloser Fremdkörper. Doch habe ich in den letzten Jahren erfahren, daß es auch anders geht. Drei Erfahrungen waren für mich in dieser Beziehung sehr lehrreich. Für ein Projekt in München war der in Wien lebende Schweizer Künstler Federle im Gespräch, den ich dann in seinem Atelier in Wien besuchte: Es ging damals um Farbgestaltung im Fassadenbereich, für die wir eine sehr kontextuelle architektonische Lösung vorgeschlagen hatten. Er schaute darauf und erläuterte mir die enorme, auch qualitative Differenz einer künstlerischen und einer architektonischen Farbgestaltung. Was für mich im ersten Moment ziemlich arrogant klang entwickelte sich in Laufe des Gesprächs zu einem interssanten Diskurs über die Differenz von Kunst und Architektur. Auch wenn aus der Zusammenarbeit nichts wurde, hat es mich nachdenklich gemacht. Es ist gerade die Stärke von Kunst im baulichen Kontext, daß sie anderen Voraussetzungen entspringt, eine andere Basis oder Ausgangsposition innehat. Es sind zwei unterschiedliche Disziplinen mit einer gewissen Schnittmenge. Und ich würde sogar behaupten, daß innerhalb der Kunst, Kunst am Bau eine eigene Disziplin ist. Für "Kunst mit Bauten" ist eben nicht das aus dem freien Kontext des Ateliers, sondern das auf einen spezifischen Ort hin entwickelte Kunstwerk gefragt. Das haben zwei Erfahrungen bestätigt. Einmal die zusammenarbeit mit dem Schweizer Künstler Remy Zaugg, der leider vor wenigen Wochen verstorben ist, bei einem Projekt in Nürnberg und die Zusammenarbeit mit Fritz Balthaus bei unserem Kindergarten in Berlin. Fritz balthaus hat einmal gesagt: "Ich bohre wo ich stehe." Dieses situative Konzept ist für "Kunst mit Bauten" eine gute Voraussetzung und ich glaube es gibt kein Projekt, bei dem er diesen Anspruch wörtlicher angewendet hat, als bei unserem gemeinsamen Projekt. Fritz Balthaus bohrte sechs Löcher in unser Haus. Sechs unterschiedliche Löcher, welche die Substanz der Wand und der Decken und ihre trennende Wirkung auf unterschiedlichste Arten erfahrbar machen. So werden die Löcher in den Außenwänden mit einem Spiegel oder einer Flasche gefüllt, was dem Blick durch die Wand eine ander Dimension verleiht. Es werden Decken angebohrt um einen vertikalen Blick durch das Gebäude zu ermöglichen und es werden Betonwände angebohrt, um das Innere einer wand zu erkunden. Das schöne diese Projektes ist nicht nur, daß dem Haus durch einen einfachen Eingriff eine Fülle von neuen Wahrnehmungsebenen hinzugefügt werden, sondern auch, daß es ein Eingriff ist, der von den Benutzern, den Kindern in diesem fall, spielerisch erfahren werden kann. Ein anderes Projekt mit dem ich direkt etwas zu tun hatte, war sein Beitrag zu dem Wettbewerb Bioquant in Heidelberg, der bei den Nutzern nicht auf Gegenliebe gestoßen war. Hier hat er vorgeschlagen, Dinge, die in dem Haus ganz alltäglich benutzt werden, wie Laborhocker und Tische oder andere Dinge, die bei dem Bau zum Einsatz kommen, wie die Saugnäpfe zum Tragen von Glasscheiben, in einem anderen Sinn- und Formenzusammenhang zu setzen und darüber mit dem Inhalt des Hauses zu verbinden. So wurden Zellstrukturen und Mikroben aus Hockern, eine Doppelhelix aus 82 Arbeitstischen und eine Molekülstruktur aus Glassaugnäpfen entwickelt. Diese Vorgehensweise, vertraute Dinge in einen neuen, überraschenden Kontext zu bringen, ist eine Strategie, die wir auch in der Architektur kennen. Wenn Häuser den Namen Architektur verdienen, sind sie mehr als Gefäße fiktionaler Bedingungen, sie erschließen mehrere Erfahrungsebenen. Bei beiden erwähnten Projekten gelingt es Fritz Balthaus, weitere der Architektur nicht mögliche Erfahrungsebenen im Gebäude zu installieren, die nicht aufdringlich didaktisch, aber doch unerwartete neue Blickwinkel auf alltägliche Gegebenheiten eröffnen. Genau hier könnte der Wert von Kunst im baulichen Kontext liegen.